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Sophie Hungers Soundtrack eines Lebens: „Walzer für Niemand"

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„Die Geschichte handelt von einer Freundschaft zwischen einer Erzählerin, einem Mädchen, und ihrem besten Freund Niemand. Das ist eine sehr symbiotische, fast zerstörerische Freundschaft. Sie wachsen an verschiedenen Orten auf. Aber da, wo sie eigentlich leben, ist nicht ihre unmittelbare Umgebung, sondern die Musik,“ beschreibt Sophie Hunger. Sie ist eine der spannendsten Musikerinnen der Gegenwart. Ihr erster Roman trägt den Titel „Walzer für Niemand“, wie ein gleichnamiges Lied von ihrem 2008 erschienenen Debütalbum „Monday's Ghost".

Eine musikalische Sozialisation

Im ständigen Wechsel zwischen Ländern, Sprachen, Menschen ist die Musik eine Konstante für die Erzählerin und Niemand. Der schmale Roman ist eine Coming-of-Age Erzählung und die Geschichte einer Freundschaft. Der Ausgangspunkt ist dort, wo alles beginnt: bei der Geburt. Die Erzählerin und Niemand begleiten wir beim Heranwachsen bis – so viel sei verraten - zu einem Todesfall. Dazwischen eine musikalische Sozialisation. Hunger hat eine spannende Erzählkonstruktion gewählt. Die Erzählerin adressiert Niemand, spricht zum besten Freund, gleichzeitig direkt zur Leserschaft. Niemand ist dabei nicht leicht zu fassen. „Mein Roman spielt eigentlich genau damit. Einerseits ist er plastisch – er hat Lieblingslieder, ein Lieblingsbuch, ein Lieblingsessen, er hat eine bestimmte Art von Schuhen, er hat einen bestimmten Gang, er hat ein bestimmtes Äußeres. Aber er ist eben auch ‚Niemand‘,“ lacht die Autorin.

Musik trifft auf Volkskunde

In „Walzer für Niemand“ stecken neben viel Musik, auch einige Strophen Volkskunde. In kurzen Zwischenkapiteln erzählt Niemand von einer anderen Welt – der, der Walser und Walserinnen: „Das waren so alemannische Bauern, die vor tausend Jahren aus dem Wallis, die Hochalpen besiedelt haben, und lustigerweise eben immer die jene Gegenden, die wirklich total unwirtlich und Lebens feindlich waren. Meine Familie mütterlicherseits die Familie Hunger ist eine Walser Familie. Man sieht das nur noch an den an den Nachnamen in der Schweiz und so, als soll schon als kleines Kind hat mich das fasziniert.“

Bilder, Musik und poetische Sprache

Der Roman ist beinahe collagiert, sogar mit Zeichnungen bebildert. Durchgetaktet möchte man sagen. „Das ist etwas, was beim Schreiben entstand“, erzählt Hunger. „Zuerst hatte ich nur eine Figur, und ich wollte eigentlich eine Art Dynamik kreieren, also dass der Leser sich fragt ist das jetzt ein Beispiel einer Walserin?“ Sophie Hunger beweist ihr feines Gespür für Melodie, für Pausen, für Zwischentöne auch beim Schreiben. Die Dichte ihrer Songtexte findet sich auch in ihren Sätzen wieder – oft lakonisch, doch immer eindringlich. Und sie beweist eine feinsinnige Beobachtungsgabe: Die schrulligen und tragischen Nebenfiguren berühren mit ihren lebensnahen Geschichten.

Lieblingslieder und eigene musikalische Ambitionen

Neben Schweizer Volkskunde lehrt die Lektüre auch viel über Töne, Klang, Stimme, Popgeschichte, wenn die Erzählerin selbst mit dem Liederschreiben beginnt.
Das erste von mir erfundene Lied hieß »Sister Gladys Glass«. Gladys nach Gladys Knight & the Pips. Ihre Single »Midnight Train to Georgia« war eines unserer All-Time-Lieblingslieder. Die Single hatte ein purpurnes Cover, auf dem ein lächelnder Lokomotivkopf frontal in den Betrachter hineinfährt. So klang auch Gladys, wenn sie sang; ich wollte auch so klingen, wenn ich sang.

Quelle: Sophie Hunger – Walzer für Niemand

Die eigene Musik der Erzählerin nimmt immer mehr Raum in ihrem Leben ein. Sie tritt auf, bestreite ihren Lebensunterhalt in einem Züricher Restaurant kellnernd. Niemand und sie entfernen sich zunehmend. Dann die Chance für den Karriere-Kick: eine Einladung einer Plattenfirma. Niemand und die Erzählerin machen sich auf zum Vorspiel, im Bataclan in Paris.

Alben enden versöhnlich

Die Fahrt begleitet eine verletzte Taube und – natürlich - Musik.
„Ich tippte abermals, diesmal bis zum letzten Track. Alben schließen meist versöhnlich. Ähnlich plötzlicher Milde am Sterbebett oder dem »mit freundlichen Grüßen« am Schluss einer Kündigung. Am Ende möchte keiner allein sein, dachte ich.“

Quelle: Sophie Hunger – Walzer für Niemand

Sophie Hungers Art, Geschichten zu erzählen, folgt dem Prinzip eines Albums: ein harmonischer Gesamtklang, in dem die einzelnen Stücke aufeinander aufbauen, dennoch für sich stehen.

Eine zwanzig Jahre gereifte Idee wird zum Roman

Anders als ein Album endet der Roman nicht versöhnlich. Das macht aber nichts. Denn das passt zu Hungers zum Teil schwerer, poetischer Sprache, bei der sich mancher Satz erst enträtseln lassen will. Ihr Sound ist melancholisch, ähnlich ihrer Musik. Vielleicht weil die Idee zum Buch schon lange in der Musikerin schlummerte? „Die Idee zu diesem Roman ist eigentlich sehr alt. Ich hatte das vor 20 Jahren, und dann kam aber die Musik dazwischen, und die Musik ist etwas, was in einer Unmittelbarkeit passiert. Das Schreiben aber erfordert viel Distanz oder zumindest so, wie ich es jetzt erlebt habe. Und manchmal habe ich das Gefühl, ich musste 20 Jahre Leben, um die nötige Distanz zu dieser Idee zu haben, um Platz zu schaffen für die Worte. Und jetzt war es einfach reif.“
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Eine musikalische Sozialisation

Im ständigen Wechsel zwischen Ländern, Sprachen, Menschen ist die Musik eine Konstante für die Erzählerin und Niemand. Der schmale Roman ist eine Coming-of-Age Erzählung und die Geschichte einer Freundschaft. Der Ausgangspunkt ist dort, wo alles beginnt: bei der Geburt. Die Erzählerin und Niemand begleiten wir beim Heranwachsen bis – so viel sei verraten - zu einem Todesfall. Dazwischen eine musikalische Sozialisation. Hunger hat eine spannende Erzählkonstruktion gewählt. Die Erzählerin adressiert Niemand, spricht zum besten Freund, gleichzeitig direkt zur Leserschaft. Niemand ist dabei nicht leicht zu fassen. „Mein Roman spielt eigentlich genau damit. Einerseits ist er plastisch – er hat Lieblingslieder, ein Lieblingsbuch, ein Lieblingsessen, er hat eine bestimmte Art von Schuhen, er hat einen bestimmten Gang, er hat ein bestimmtes Äußeres. Aber er ist eben auch ‚Niemand‘,“ lacht die Autorin.

Musik trifft auf Volkskunde

In „Walzer für Niemand“ stecken neben viel Musik, auch einige Strophen Volkskunde. In kurzen Zwischenkapiteln erzählt Niemand von einer anderen Welt – der, der Walser und Walserinnen: „Das waren so alemannische Bauern, die vor tausend Jahren aus dem Wallis, die Hochalpen besiedelt haben, und lustigerweise eben immer die jene Gegenden, die wirklich total unwirtlich und Lebens feindlich waren. Meine Familie mütterlicherseits die Familie Hunger ist eine Walser Familie. Man sieht das nur noch an den an den Nachnamen in der Schweiz und so, als soll schon als kleines Kind hat mich das fasziniert.“

Bilder, Musik und poetische Sprache

Der Roman ist beinahe collagiert, sogar mit Zeichnungen bebildert. Durchgetaktet möchte man sagen. „Das ist etwas, was beim Schreiben entstand“, erzählt Hunger. „Zuerst hatte ich nur eine Figur, und ich wollte eigentlich eine Art Dynamik kreieren, also dass der Leser sich fragt ist das jetzt ein Beispiel einer Walserin?“ Sophie Hunger beweist ihr feines Gespür für Melodie, für Pausen, für Zwischentöne auch beim Schreiben. Die Dichte ihrer Songtexte findet sich auch in ihren Sätzen wieder – oft lakonisch, doch immer eindringlich. Und sie beweist eine feinsinnige Beobachtungsgabe: Die schrulligen und tragischen Nebenfiguren berühren mit ihren lebensnahen Geschichten.

Lieblingslieder und eigene musikalische Ambitionen

Neben Schweizer Volkskunde lehrt die Lektüre auch viel über Töne, Klang, Stimme, Popgeschichte, wenn die Erzählerin selbst mit dem Liederschreiben beginnt.
Das erste von mir erfundene Lied hieß »Sister Gladys Glass«. Gladys nach Gladys Knight & the Pips. Ihre Single »Midnight Train to Georgia« war eines unserer All-Time-Lieblingslieder. Die Single hatte ein purpurnes Cover, auf dem ein lächelnder Lokomotivkopf frontal in den Betrachter hineinfährt. So klang auch Gladys, wenn sie sang; ich wollte auch so klingen, wenn ich sang.

Quelle: Sophie Hunger – Walzer für Niemand

Die eigene Musik der Erzählerin nimmt immer mehr Raum in ihrem Leben ein. Sie tritt auf, bestreite ihren Lebensunterhalt in einem Züricher Restaurant kellnernd. Niemand und sie entfernen sich zunehmend. Dann die Chance für den Karriere-Kick: eine Einladung einer Plattenfirma. Niemand und die Erzählerin machen sich auf zum Vorspiel, im Bataclan in Paris.

Alben enden versöhnlich

Die Fahrt begleitet eine verletzte Taube und – natürlich - Musik.
„Ich tippte abermals, diesmal bis zum letzten Track. Alben schließen meist versöhnlich. Ähnlich plötzlicher Milde am Sterbebett oder dem »mit freundlichen Grüßen« am Schluss einer Kündigung. Am Ende möchte keiner allein sein, dachte ich.“

Quelle: Sophie Hunger – Walzer für Niemand

Sophie Hungers Art, Geschichten zu erzählen, folgt dem Prinzip eines Albums: ein harmonischer Gesamtklang, in dem die einzelnen Stücke aufeinander aufbauen, dennoch für sich stehen.

Eine zwanzig Jahre gereifte Idee wird zum Roman

Anders als ein Album endet der Roman nicht versöhnlich. Das macht aber nichts. Denn das passt zu Hungers zum Teil schwerer, poetischer Sprache, bei der sich mancher Satz erst enträtseln lassen will. Ihr Sound ist melancholisch, ähnlich ihrer Musik. Vielleicht weil die Idee zum Buch schon lange in der Musikerin schlummerte? „Die Idee zu diesem Roman ist eigentlich sehr alt. Ich hatte das vor 20 Jahren, und dann kam aber die Musik dazwischen, und die Musik ist etwas, was in einer Unmittelbarkeit passiert. Das Schreiben aber erfordert viel Distanz oder zumindest so, wie ich es jetzt erlebt habe. Und manchmal habe ich das Gefühl, ich musste 20 Jahre Leben, um die nötige Distanz zu dieser Idee zu haben, um Platz zu schaffen für die Worte. Und jetzt war es einfach reif.“
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